Anreizsysteme und Gamification sind eng verwandt. Beide wollen die Motivation steigern und einen Nutzen für Mitarbeitende sowie Unternehmen darstellen. Basierend auf Grundlagen der Organisations- und Motivationspsychologie beschreiben Anreizsysteme die Summe aller Anreize, materiell und immateriell, die für den Rezipienten einen Wert (Anreizwert, Befriedigungswert, Valenz, Nutzen) darstellen. Doch welche Rolle spielen Anreizsysteme im Unternehmensalltag? Und wie lassen sie sich gewinnbringend nutzen?
Anreizsysteme im Unternehmenskontext
Anreizsysteme sind darauf ausgelegt, eine Kongruenz zwischen den Zielen der Organisation und denen des Individuums bzw. des Teams zu schaffen. Das ist aus Perspektive des Unternehmens erstrebenswert und gewinnbringend. Und aus Perspektive der Mitarbeitenden erst recht.
Diese Motive finden sich auch in der Gamifizierung wieder – dem Tätigkeitsfeld, mit dem wir uns maßgeblich beschäftigen. Denn auch dort geht es um ganz ähnliche Ziele. Unter anderem darum, intrinsische (immaterielle) Anreize zu schaffen, die Prozesse leichter von der Hand gehen lassen oder Ziele schneller erreichbar machen.
Funktionen von Anreizsystemen (nach Merchant und Van der Stede)
Schauen wir einmal genauer hin: Anreizsysteme sind die Ansammlung und Organisation verschiedener personenexterner Stimuli, die das Erreichen eines oder mehrerer Ziele begünstigen sollen. Sie sind wegen des konkreten Zielcharakters stets bewusst gestaltet. Folglich gibt es auch verschiedene Unterscheidungsmöglichkeiten, in die man Anreizsysteme clustern kann. Die hierfür relevanten Fragen: Welche Ziele werden verfolgt? Wie ist die Ausrichtung des Systems? Nach Merchant und Van der Stede (2012) wird beispielsweise in Funktionen geclustert.
- Motivationsfunktion: Erste Priorität des Anreizsystems ist die Motivation der Mitarbeitenden und deren Leistungsbereitschaft zu erhöhen.
- Steuerungsfunktion: Anreize und deren Verknüpfung mit betrieblichen Zielen sollen Mitarbeitende unterschiedlich beeinflussen, belohnen oder sanktionieren.
- Informationsfunktion: Die explizite oder implizite Kommunikation von Informationen, Werten oder Haltungen, die im Unternehmen anerkannt oder abgelehnt werden, ist das Ziel. Eine Fokussierung auf monetäre Anreize legt zum Beispiel nahe, dass Geld ein wichtiger Faktor beim Status einer Mitarbeitenden ist.
- Veränderungsfunktion: Ein Anreizsystem kann auch das Ziel haben, schnell und situationsbedingt Veränderung im Verhalten der Mitarbeitenden zu bewirken. Zum Beispiel durch die Belohnung zusätzlichen Engagements.
Orientierung von Anreizsystemen (nach Gmür und Thommen)
Gmür und Thommen hingegen clustern Anreizsysteme nach ihrer Orientierung. Funktion und Orientierung: Das klingt zunächst zwar verwandt, jedoch gibt es einige feine Unterschiede. Zum Beispiel erscheint die Einteilung nach Gmür und Thommen mit den entsprechenden Erläuterungen etwas detaillierter und vor allem auch konkreter auf bestehende Anreizsysteme bezogen:
- Leistungsorientierung: Oft geprägt durch hohe Anteile variabler und leistungsabhängiger Vergütung. Vordergründig werden hier kurz- und mittelfristige Erfolge angestrebt und auch höher gewertet als die langfristige Erfolgsentwicklung. Auch Beförderungschancen sind meist an Leistung geknüpft.
- Strategieorientierung: Bei dieser Orientierung steht das Marktziel des Unternehmens im Vordergrund. Die Struktur kann mit den Prioritäten des Unternehmens wechseln. Die Klarheit über strategische Ressourcen und Kernkompetenzen des Unternehmens ist jedoch Voraussetzung.
- Flexibilitätsorientierung: Hier soll durch das Anreizsystem die Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit des Unternehmens sichergestellt werden. Diese Orientierung kann inhaltlicher (Qualifikationen) und logistischer (Flexibilität im Einsatz) Natur sein – oder auch beides.
- Entwicklungsorientierung: Hier steht, im Gegensatz zur Flexibilitätsorientierung, die langfristige Anpassungsfähigkeit an Marktentwicklungen im Vordergrund. Innovationsbeiträge stehen bei der Verteilung von Boni und Beförderungen im Unternehmen vor kurzfristigen Gewinnen. Weiterbildungen haben ebenfalls einen hohen Stellenwert.
- Integrationsorientierung: Der Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten steht im Fokus. Teamerfolge werden höher gewichtet als die eines Individuums. Charakteristisch hierfür sind Kapitalbeteiligungsmodelle (Belegschaftsaktien) oder Gewinnbeteiligungen, die nicht nach individuellen Leistungen differenziert werden, sondern das gesamte Team belohnen.
- Bindungsorientierung: Bindungsorientierte Anreizsysteme wollen Fehlzeiten und ungeplante Fluktuation mindern. Sie zielen klar auf die Bindung von Mitarbeitenden ab, das Commitment und Involvement. Variable Vergütung und Beförderungen berücksichtigen die Dauer der Betriebszugehörigkeit als ein wichtiges Kriterium.
Bestandteile eines Anreizsystems (systemisch)
Ungeachtet dessen, ob man sich eher im Funktionsmodell oder Orientierungsmodell wiederfindet: Anreizsysteme können gut nach beiden Modellen sortiert werden. Nun ist aber die Frage: Welche Bestandteile hat ein solches System? Wichtigster Bestandteil ist der Anreiz. Über das unten abgebildete Schema nähern wir uns der oben genannten Clusterung noch einmal von Seiten des Anreizes und schaffen einen Überblick über die Bestandteile eines Anreizsystems.
Anreizsysteme gestalten
Der Einsatz gut gestalteter Anreizsysteme steigert Motivation, Zufriedenheit, Verhalten von Mitarbeitenden. Aber so einfach, wie es klingt, ist es nicht. Genau wie in der Gamification funktionieren Anreizsysteme effektiver, wenn sie möglichst präzise auf diejenigen ausgerichtet sind, die in ihrem Kontext nach unseren Wünschen agieren sollen. Den Anreiz-Baukasten gibt es also nicht.
Wie immer stellen wir uns die Frage: Wer ist unsere Zielgruppe? Die Antwort ist: Alle Mitarbeitenden des Unternehmens. Der Griff zu gelernten und bewährten Modellen ist einfach. Das bedeutet aber auch immer eine gewisse Pauschalisierung und oberflächliche Auseinandersetzung mit den individuellen Bedürfnissen Ihrer Mitarbeitenden. Je individueller das Anreizsystem gestaltet ist, umso stärker ist die Zugkraft, umso wahrscheinlicher auch das Erreichen des Ziels.
Wenn Sie Interesse daran haben, Anreizsysteme im eigenen Unternehmen einzusetzen oder zu verbessern, ist das zunächst einmal mit Aufwand verbunden. Aber dieser Aufwand kann sich schnell lohnen. Denn ist ein System sorgfältig gestaltet und wird es im Unternehmen konsequent umgesetzt, wird es Ihre Mitarbeitenden in die richtige Richtung lenken.
Der erste Schritt ist die Festlegung eines konkreten Ziels. Hier ein paar Beispiele:
Ich möchte …
- … meine Mitarbeitenden motivieren.
- … das Verhalten meiner Mitarbeitenden beeinflussen.
- … die Corporate Identity ausbauen.
- … Wandel im Unternehmen hervorbringen.
Wie Sie bemerkt haben, sind diese Ziele direkt aus den nach Merchant & Van der Stede geclusterten Zielen und Funktionen von Anreizsystemen abgeleitet. Diese Ziele sind für die Gestaltung eines Anreizsystems allerdings noch zu allgemein gefasst und dürfen deshalb als Beispiele für die Ausrichtung verstanden werden. Ein konkretes Ziel könnte lauten: „Ich möchte meine Mitarbeitenden motivieren, trotz Gleitzeitvereinbarung, montags um acht Uhr ins Büro zu kommen.“ Sofern dies Ihren Unternehmenszielen zuträglich wäre.
Von da an geht es weiter mit der Frage: Was will meine Zielgruppe? Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitenden und ermitteln Sie, was ihnen wichtig ist.
Beispiele von wirkungsvollen Anreizen
Allgemein vertreten wir die Auffassung, dass die Ausgestaltung eines Anreizsystems individuell erfolgen sollte. Also im konkreten Bezug zu den Mitarbeitenden. Denn je näher ein Anreiz an die persönlichen Motivatoren einer Person gekoppelt ist, desto wirksamer. Folgende Beispiele geben eine Richtung und einen Einblick in die Möglichkeiten:
Materielle Anreizbeispiele
- Versicherungsleistungen: Erweiterungen der gesetzlichen Rentenvorsorge und Betriebsrente steigern die Bindung ans Unternehmen.
- Beteiligungen an dem Unternehmen: Belegschaftsaktien, Unternehmensanteile und Fremdkapitalbeteiligungen steigern die Bindung ans Unternehmen.
- Naturalleistungen: Kantine, Kindergarten, Sportaktivitäten, Dienstwagen, Wohnung und betriebliche Weiterbildung steigern das Image (Employer Branding).
Nicht-materielle Anreizbeispiele
- Sicherheitsanreize: Unbefristete Arbeitsverträge, Beschäftigungsgarantien befriedigen Sicherheitsbedürfnisse.
- Soziale Anreize: Clubmitgliedschaften, Incentives, starke Teamkultur erfüllen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.
- Statusanreize: Titel und Auszeichnungen zahlen auf das Anerkennungsbedürfnis ein.
- Selbstverwirklichungsanreize: Aufgaben oder Positionen, die ermöglichen, dass eigene Ideen und Visionen im Unternehmenskontext von Mitarbeitenden verwirklicht werden können, setzen beim Selbstverwirklichungsbedürfnis an.
- Machtanreize: Verantwortungsübertragung, Teamleitungspositionen, Möglichkeiten der Einflussnahme zur Erreichung persönlicher Ziele und zur Durchsetzung eigener Vorstellungen erfüllen das Bedürfnis nach Macht.
Fazit
Anreizsysteme sind wirksame Mittel, langfristig die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden zu steigern. Gleichzeitig unterstützen Sie bei der aktiven Gestaltung einer Unternehmenskultur und der Erreichung von Unternehmenszielen. Genau wie Gamification auch.
An dieser Stelle verweisen wir auch auf den thematisch verwandten Artikel Intrinsische Motivation fördern, welcher sich tiefergehend mit Motivationsformen, auch in Bezug zu Materialität befasst.
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Hier finden Sie außerdem allgemeine Informationen und Orientierungshilfe zum Thema Gamification: In unserem ultimativen Guide zur Gamifizierung.