Verlustaversion ist ein psychologisches Phänomen, das beschreibt, wie Menschen Verluste stärker empfinden als Gewinne. Dieses Verhalten beeinflusst viele Entscheidungen im Alltag und in der Wirtschaft. In diesem Artikel beleuchten wir, wie Verlustaversion wirkt, welche Herausforderungen sie mit sich bringt und wie Gamification helfen kann, diese Hürde zu überwinden.

 

Was ist Verlustaversion?

Die Verlustaversion ist ein Teil der Prospect Theory. Diese wurde 1979 von Daniel Kahneman und Amos Tversky veröffentlicht. Diese ökonomische Theorie erhielt 2002 einen Nobelpreis und beruht auf kognitiven Verzerrungen, die das Verhalten irrationell beeinflussen.

Verlustaversion erklärt, dass Menschen Entscheidungen nicht aufgrund absoluter Werte treffen, sondern im Kontext ihres Referenzpunktes. Dabei werden mögliche Folgen der Entscheidung entweder als Gewinn oder als Verlust wahrgenommen.

Außerdem – und das ist der Zentralpunkt dieser Theorie – tendieren alle Menschen dazu Verluste um einiges höher zu gewichten als Gewinne. Jede Person wählt ihren Referenzpunkt für jede Situation selbst.

Dieser Referenzpunkt kann entweder das Vorhandene repräsentieren oder aber das Erwartete. Ein absoluter Gewinn kann deswegen auch als Verlust empfunden werden, falls dieser Gewinn geringer als der erwartete Referenzpunkt ist.

Außerdem neigen Menschen dazu, risikoaverse Entscheidungen zu treffen, um Verluste zu vermeiden. Die Angst vor dem Verlust so viel größer, dass die Leute viel mehr als Ausgleich erwarten.

Psychologisch betrachtet, hat der Schmerz eines Verlustes eine stärkere emotionale Wirkung als die Freude über einen Gewinn. Dieses Verhalten zeigt sich in verschiedenen Bereichen: Bei Investitionen, Kaufentscheidungen und sogar im täglichen Leben.

Verlustaversion beschreibt u.a. die Angst vor dem Verlust

 

Verlustaversion und Gamification

Verlustaversion beeinflusst auch die Gestaltung und Effektivität von Gamification. Spielmechaniken müssen so konzipiert werden, dass sie die Verlustangst der Nutzenden berücksichtigen und überwinden. Ein gängiges Beispiel ist die Verwendung von Verlustvermeidung als Motivator:

Anstatt lediglich Belohnungen für Fortschritte zu bieten, können Spielelemente so gestaltet werden, dass der Verlust von Punkten oder Privilegien bei Nichterfüllung von Aufgaben droht. Dies kann die Motivation erhöhen, sich zu engagieren und aktiv zu bleiben, was vor allem für gamifizierte Lernprozesse von großer Bedeutung ist.

Ein solches System sollte jedoch nicht zu streng konzipiert sein. Der Verlust sollte nicht zu einer konstanten Bedrohung werden. Stattdessen sollte dieser Mechanismus z.B. für eine Balance aus Herausforderung und Langeweile (Stichwort Flow-Theorie) genutzt werden, um ein Spiel abzurunden und schließlich ein vergnügliches Spielerlebnis zu schaffen.

Ein weiteres Beispiel ist die Schaffung sicherer Spielumgebungen, in denen Fehler keine schwerwiegenden Folgen haben. Dies reduziert die Angst vor Verlusten und ermutigt die Spielenden, neue Strategien auszuprobieren und Risiken einzugehen, ohne reale negative Konsequenzen fürchten zu müssen.

Im Spiel kann man Neues ausprobieren und auch mal Fehler machen, ohne das Gesicht zu verlieren. – Markus Väth, im Spiegel-Interview

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Formen kognitiver Verzerrungen

Besitztumseffekt

Der Besitztumseffekt (oder auch Endowment-Effekt) besagt: Menschen schreiben Objekten, die sie besitzen, einen höheren Wert zu als Objekten, die sie nicht besitzen. Beim Verkauf wird zum Beispiel ein höherer Wert verlangt als der, den man selbst in einer Kaufsituation anbieten würde.

Dies lässt sich direkt durch die Verlustaversion erklären. Tatsächlich wird der Verkauf als Verlust angesehen und nachdem Verluste höher gewichtet werden, muss der darauffolgende Gewinn umso größer sein. Dieser Effekt betrifft aber nicht nur konkrete Objekte, sondern auch virtuelle.

Für Gamification-Projekte kann es daher von Interesse sein, ein oder mehrere solcher Besitztümer zu integrieren. Auf diese Art profitieren wir von der erhöhten Motivation der Spielenden. So stellt man Usern z.B. ein personalisierbares Königreich oder eine Farm zur Verfügung, die andere Spielende auch besuchen können.

 

Trugschluss der versunkenen Kosten

Versunkene Kosten („Sunk Costs“) sind Kosten, die nicht zu ändern sind. Da sie nicht mehr zu vermeiden sind, sollten sie theoretisch keinen Einfluss auf spätere Entscheidungen haben. Jedoch ist dies nicht der Fall.

Wer hat noch nie eine Partie eines Brettspiels trotzdem zu Ende geführt, obwohl es längst keinen Spaß mehr gemacht hat? Die bisher in das Spiel investierte Zeit bringt einen dazu weiterzuspielen, obwohl traditionelle Entscheidungstheorien sagen würden: Hör auf, wenn der Spaß vorüber ist! Menschen denken: Ich möchte diese benutzte Zeit nicht „verlieren“ – obwohl sie längst vorüber ist und nur die zukünftigen Momente noch zu ändern sind.

Wer etwas in ein Spiel investiert hat – sei es Zeit oder Geld – ist eher bereit, weiter in dieses Spiel zu investieren. Deshalb sind bei Spielen und gamifizierten Projekten die ersten Spielmomente die wichtigsten.

Sind diese gut, gibt es eine erste Zeitinvestition. Nach dieser ersten Investition ist eine Spielerin durch diesen Effekt öfter dazu bereit, sich weiter mit dem Spiel zu beschäftigen. Andersherum kann dieses Phänomen auch missbraucht werden, eben um Leute an eine Anwendung zu binden, die eigentlich keinen Mehrwert mehr bietet.

 

Fazit

Verlustaversion beeinflusst Entscheidungen und führt oft zu risikoscheuem Verhalten. Die Effekte der Verlustaversion sollten in Anwendungen bedacht werden, damit die Gamification Lösung diese abmildert. Gamification schafft sichere, motivierende Umgebungen, die es ermöglichen, Verlustängste zu überwinden und Chancen zu ergreifen.

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