Wir waren dieses Jahr wieder vor Ort auf der Gamescom in Köln, um uns von den neuesten Entwicklungen der Spielebranche zu informieren. Während einige neue Blockbuster-Spielehighlights und kleinere experimentelle Indie-Game Konzepte uns durchaus überraschen konnten, sorgte vor allem eine Gamescom Bundeswehr Werbekampagne für viel Wirbel.
Bundeswehr Werbung im Kreuzfeuer
Im Rahmen der Gamescom hatte die Bundeswehr spezielle Plakate entworfen, die zur Rekrutierung dienen sollten. Thematisch und optisch wurde die Gamescom Bundeswehr Werbung an digitale Spiele angepasst. Wie das aufgenommen wurde und was daran zu kritisieren ist, diskutieren wir hier.
Der originale Tweet der Bundeswehr ist hier abrufbar. Werfen wir zunächst einen Blick auf die beiden Plakate, um die es geht:
Während das linke Plakat mit dem Slogan „Multiplayer at its best!“ wirbt, so steht beim rechten Plakat der Slogan „Mehr Open World geht nicht!“ in der Bildmitte. Außerdem wird auf den Stand der Bundeswehr und auf die eigene Internetseite der Bundeswehr verwiesen.
Viel mehr Text enthalten die Plakate eigentlich auch nicht. Jedoch befinden sich zwei kleine Textboxen im untersten Abschnitt der zwei Plakate. Allerdings versteckt die Bildvorschau des Tweets diese zwei Textboxen:
ECHTE KAMERADSCHAFT STATT SINGLE-PLAYER-MODUS? Mach, was wirklich zählt. Lerne Teamwork kennen und bewirb dich für eine Karriere bei der Bundeswehr. Besuche uns auf der Gamescom oder unter bundeswehrkarriere.de. – Plakat links
AN DEINE GRENZEN GEHEN STATT IN EINEM LEVEL FESTHÄNGEN? Mach, was wirklich zählt. Setz dich für Freiheit und Sicherheit ein und starte deine Laufbahn bei der Bundeswehr. Besuche uns auf der Gamescom oder unter bundeswehrkarriere.de. – Plakat rechts
Im Fokus steht bei beiden Plakaten aber ganz klar die optische Inszenierung. Die Hintergründe, die mit unzähligen Filtern und Lichteffekten nachbearbeitet sind, fallen direkt ins Auge. Optisch gleichen sie eher einem Film- oder Videospiel-Cover.
Die Reaktionen auf die Werbung
Öffentliche Nachrichten-Portale berichten
Der Großteil der deutschen Presse äußerte scharfe Kritik an dem Vorgehen der Bundeswehr. Die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Bundeswehr provoziert mit verharmlosenden Werbeplakaten“.
Einen Schritt weiter ging die FAZ, die die Kampagne mit Krieg in Verbindung brachte: „Ist Krieg was für „Multiplayer?“. Was wiederum von dem Artikel der Bild übertroffen wurde, die aus dem Fragezeichen der FAZ eine Aussage machte: „Bundeswehr-Werbung zeigt Krieg als Spiel“.
Negative Reaktion auf Twitter
Auch im Netz überwiegt eine negative Meinung zur Aktion. So hat der folgende Kommentar die meisten Likes unter dem Tweet der Bundeswehr:
Auf diesen Plakaten geht es doch nicht um “Frieden sichern”. Die Aussage ist: “Bei uns bekommt ihr echte Waffen, mit denen ihr herumballern und töten könnt.” Die Bundeswehr kämpft ja manchmal um ein besseres Image. Aber mit solchen Plakaten ist klar, wie sie sich selbst sieht. – Twitter User
Generell bleibt festzuhalten, dass die Aktion im Netz und in der Presse nicht wirklich gut aufgenommen wurde. Und das ist noch harmlos ausgedrückt. Aber wo genau lag das Problem an der Werbekampagne? Warum gab es von allen Seiten Kritik? Eine Analyse der Plakate gibt Aufschluss.
Gamifizierte Werbeplakate?
Handelt es sich denn bei den hier vorliegenden Plakaten jetzt um Gamification? Immerhin ist die Gamescom Bundeswehr Werbung von Spielen inspiriert und greift auf gängiges Vokabular aus der Gaming-Szene zurück. „Open World“ assoziieren wir mit grenzenlosen Spielwelten und „Multiplayer“ mit Teamwork im Mehrspielermodus.
Per Definition wird unter Gamification die Übertragung von Spielelementen auf einen Nicht-Spiel-Kontext verstanden. Obwohl der zweite Teil der Definition – der Nicht-Spiel-Kontext – in diesem Fall zutreffend ist, handelt es sich dennoch nicht um Gamification.
Denn eine Übertragung von Spielelementen auf die Gamescom Bundeswehr Plakate findet nicht statt, weshalb der erste Teil Definition nicht erfüllt ist. Die 5 Spielelemente finden wir in dieser Werbung nicht.
Allein die Tatsache, dass von Betrachtenden und nicht von Nutzenden oder Spielenden gesprochen werden muss, verdeutlicht die Abwesenheit von Spielelementen und somit auch die fehlende Interaktivität.
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Das eigentliche Problem
Wie allzu oft lässt sich die allgemein negative Resonanz der Werbung nicht auf eine Ursache eingrenzen. So ist schon die alleinige Präsenz der Bundeswehr auf der Gamescom vielen Leuten ein Dorn im Auge.
Und das unabhängig von der Art der Werbung. Bezogen auf die zwei vorgestellten Werbeplakate kann der Bundeswehr außerdem die Vermischung von „harmlosen“ Spiel und „brutaler“ Realität vorgeworfen werden. Hier setzte der Großteil der Kritik an.
Was bleibt? Die zwei Plakate der Bundeswehr haben zu einer öffentlichen Debatte geführt. Die Bundeswehr hat dies sogar begrüßt und ihre Aktion verteidigt. Die Bundeswehr nahm die öffentliche Kontroverse wohlwollend in Kauf und erfreute sich, wieder in aller Munde zu sein. Frei nach dem Motto:
There’s no such thing as bad publicity except your own obituary. – Brendan Behan
Gratwanderung: Gamification und Militär
Aus Gamification-Sicht gibt es noch wesentlich manipulativere Möglichkeiten, die im Militär eingesetzt werden oder werden könnten. Gamification macht unangenehme Aufgaben angenehm.
Aber was, wenn die unangenehmen Aufgaben dem Menschen zu Recht unangenehm ist, weil sie unmoralisch ist? Dann holt Gamification etwas auf die innere Will-ich-machen-Liste, das da nicht hingehören sollte.
Und das sind dann tatsächlich Fälle, bei denen Gamification von einer schlechten Sache ausgenutzt wird, wozu wir uns auch schon im Philosophie Magazin geäußert haben.
Don’t hate the game, hate the player. Man muss aufpassen, für wen man arbeitet, aber ich kann nur sagen: Bei den Projekten, die ich bisher gemacht habe, ging es immer darum, dass den Menschen zu erledigende, aber schlichtweg lästige Aufgaben etwas leichter von der Hand gehen. – Philipp Reinartz
Grundsätzlich ist Gamification im Militär somit ein sensibles Thema. In vielen Bereichen wurde und wird sie sinnvoll eingesetzt – zum Beispiel zur besseren internen Organisation oder Weiterbildung. In anderen Fällen muss man genauer schauen, welche Ziele verfolgt werden.
Fazit
Die Plakatwerbung der Bundeswehr ist definitiv zu kritisieren. Sie glorifiziert Themen wie Krieg. Durch Begriffe wie „Open World“ und „Multiplayer“ wird dem ganzen die Ernsthaftigkeit genommen.
Generell lässt sich diskutieren, wie moralisch die Gamifizierung bestimmter unethischer Aufgaben ist. In jedem Fall gibt es noch wesentlich aufrührendere Fragen im Zusammenspiel von Games und Militär als die beiden Gamescom Bundeswehr Plakate.
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